Pressemitteilung vom Ravensburger Klimacamp am 28.10.2021

Aktivisten gehen in Berufung – nach Verurteilung von Klimaaktivist Samuel Bosch wegen Gründung der “Alti”-Besetzung

Am 28.10.2021 stand Samuel Bosch wegen zweier mutmaßlichen Hausfriedensbrüche und Versammlungsgesetzesverstöße vor dem Amtsgericht Ravensburg. Es ging um vier Aktionen und die Vorbereitung der Besetzung des Altdorfer Waldes. Die vorgeworfenen Sachverhalte räumte der Aktivist ein. “Vor jeder Aktion Informieren wir uns umfassend bei unseren Anwälten, um auszuschließen, dass wir Straftaten begehen” so Bosch.

Die vorbereitende Errichtung der Plattformen im Altdorfer Wald stellten nach Ansicht des Verteidigers keine anmeldepflichtige politische Versammlung dar, sondern lediglich nicht-öffentliche Vorbereitung zur späteren Besetzung. Zum Tatzeitpunkt gab es keinerlei öffentliche politische Meinungskundgabe und daher auch keine Pflicht zur Anmeldung, so der Verteidiger.

In drei von fünf Fällen argumentiert die Verteidigung damit, dass es sich bei Banneraktionen auf Dächern oder Bäumen nicht um eine öffentliche Versammlung handeln könne, da keine Menschen spontan und unvorbereitet daran teilnehmen könnten. “Der Sinn der Anmeldepflicht von Versammlungen ist es, dass die Polizei die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei sich ausweitenden Versammlungen schützen kann. Ist die Teilnehmerzahl indes durch die besondere Form der Versammlung beschränkt und können keine weiteren Menschen dazustoßen, ist die Versammlung nicht öffentlich und muss daher auch nicht angemeldet werden” so Rechtsanwalt Klaus Schulz.

Die Verteidigung sah sowohl im Betreten der unumzäunten Kiesgrube als auch beim Klettern auf Dächer öffentlicher Gebäude kein Eindringen gemäß §123 StGB, also keinen Hausfriedensbruch.

Staatsanwalt Spieler hielt eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen für angemessen, während Rechtsanwalt Klaus Schulz einen Freispruch in allen Fällen forderte. Die Richterin verurteilte Bosch zu 40 Sozialstunden nach Jugendstrafgesetz.

“Da wir weiterhin einen Freispruch in allen Punkten anstreben, gehen wir in Berufung” so Rechtsanwalt Schulz. “Es ist bedauerlich, dass das Gericht sich über die von uns dargelegte Rechtsprechung des OLG Köln und des Bundesverfassungsgerichts hinweggesetzt hat.” so Schulz weiter.

Kurz vor der öffentlichen Verhandlung fand eine solidarische Mahnwache vor dem Amtsgericht statt. Viele der Unterstützer*innen zeigten sich enttäucht über den “Mangel an Zuschauerplätze im Gerichtssaal”. Ulla Köberle-Lang: “Wenn eine Verhandlung öffentlich ist und ein so großes interresse besteht, müssen im Gerrichtssaal mehr Plätze bereitgestellt werden”.

Manfred Scheurenbrand (66) aus Waldburg unterstützt die Mahnwache vor dem Amtsgericht und kam leider nicht in den Gerrichtssaal: “Vor Gericht sollten die Umweltbrecher stehen, nicht die jungen Menschen, die mit friedlichem zivilen Ungehorsam auf Missstände hinweisen.”

Hinweise zu den Einzelvorwürfen

Die Einzelvorwürfe lauten:

  • Beginn des Baumhauscamps im Altdorfer Wald, Vorwurf: Versammlungsgesetz (§26 VersG)
  • “Stoppt den Klimahöllenplan”-Banner in Amtzell, Vorwurf: Hausfriedensbruch (§123 StGB) & (§26 VersG)
  • Banner an Bagger der Kiesgrube Tullius bei Oberankrenreute, Vorwurf: Hausfriedensbruch (§123 StGB)
  • Baumbesetzung in der Bachstraße, Vorwurf: Versammlungsgesetz (§26 VersG)
  • Banner mit Prof. Dr. Ertel an der RWU in Weingarten, Vorwurf: Versammlungsgesetz (§26 VersG)

  1. Die Aktivist*innen besetzen seit Februar ein bedrohtes Waldstück im Altdorfer Wald um die geplante Rodung für den Kießabbau zu verhindern. Artikel zur Aktion

  2. Die Aktivist*innen kletterten auf die Mehrzweckhalle in Amtzell um dort mit einem Banner (“Stoppt den Klimahöllenplan”) gegen den aus ihrer Sicht nicht zukunftsfähigen Regionalplanentwurf zu protestieren. Währenddessen stimmte der Gemeinderat-Amtzell in der Mehrzweckhalle über den Entwurf ab. Dieselbe Form von Aktion wurde einige Tage später auch bei der entsprechenden Sitzung des Gemeinderats in Weingarten durchgeführt. Artikel zur Aktion

  3. Die Aktion an der Hochschule stieß den Prozess an, ungenutzte Hörsäle im Winter nicht unnötig zu beheizen.Das hatte zuvor Prof. Dr. Wolfgang Ertel über zehn Jahre lang erfolglos versucht. Artikel zur Aktion

  4. Bei der Baumbesetzung in der Bachstraße wird den Aktivist*innen vorgeworfen, Vögel so sehr gestört zu haben, dass sie ihre Brut nicht mehr versorgten. “Tatsächlich zeigten sich die Vögel von unserer Hängematte sichtlich unbeeindruckt und flogen immer wieder ein uns aus”, so Bosch. Ein von einem Anwohner am 18. Maiaufgenommenes Video belegt, dass sich die Vögel auch nach der Aktion weiterhin ihre Brut versorgten und normal verhielten. Artikel zur Aktion

  5. Bei der Aktion in der Kiesgrube handelt es sich aus Sicht der Aktivist*innen nicht um Hausfriedensbruch. Ihrer Ansicht nach ist das Betreten von offenem Gelände ist erlaubt und das Entfernen des Banners durch die Arbeiter*innen der Kiesgrube dauerte wahrscheinlich nur wenige Sekunden. “Warum werden überhaupt Aktionen verfolgt, die niemanden stören und bei denen niemand zu Schaden kommt?” so Bosch zu den Vorwürfen. Artikel zur Aktion